Friesische

Mythen

Der Bär im Wappen von Esens

Wie der Bär in das Wappen der Stadt Esens geriet, ist keine alltägliche Geschichte.

Der Junker Balthasar von Esens hatte sich durch seine Raubzüge zu Lande und zur See viele Feinde gemacht, denen es darauf ankam, ihm sein Handwerk zu legen; die Stadt Esens, in der er sein festes Haus hatte, wurde schließlich von allen Seiten eingeschlossen. Die Bürger aber, ungut versorgt, weil sie sich von den Belagerern hatten überraschen lassen, waren aufrührerisch und wollten ungern für ihren Junker hungern. Schon kostete das halbe Lot Kaffee achtzehn Goldpfennig.

Balthasar blieb unverzagt. Er hatte kurz vor der Einschließung der Stadt zwei sonderbare Fänge getan: einen Bärenführer, der just auf einem Schiff von Amsterdam nach Hamburg gefahren war, und noch einen anderen Tanzbären, der seinem Herrn entlaufen war, als der vor Schreck über des Junkers Anritt auf der Straße nach Emden das Weite gesucht hatte.

So hatte Balthasar von Esens nicht nur seine Knappen, sondern zwei Bären als Bundesgenossen. Aber auch die Zottelhänse bekamen wenig zu essen und hungerten.

Schließlich machte der Junker von Esens, als die Bürger schon zu meutern drohten, seinen letzten Ausfall. Dabei hatte er die zwei aufrecht schreitenden Bären rechts und links zur Seite. Sie bewegten sich behände und waren rasch im Angriff, weil sie beim Feind Fraß vermuteten. Balthasar lief mit ihnen tapfer vor den Seinen her.

Es wurde ein absonderlicher Ausfall. Die Belagerer gerieten vor den Tieren ins Rennen und gaben ihre Schanzen auf, eine um die andere, weil sie meinten, solch grimmige Bundesgenossen könnten nur aus der höllischen Welt kommen. Es war aber auch an dem, dass jeder, der sich den Ungeheuern entgegenstellte, mit einigen furchtbaren Prankenhieben der Hungernden zur Seite geschleudert wurde.

Die Bären haben am gleichen Abend noch Fraß genug erhalten. Schinken, Speck, und was alles der Junker von Esens als Beute ergatterte. Einer ist an dem Zuviel eingegangen und anderntags nicht mehr aufgewacht. Den jüngeren Zottelhans haben die Esener in Ehren gehalten und später voll Dank sein Abbild in ihr Stadtwappen aufgenommen. Sie sagten sich, es wäre von ihrer armen Stadt nicht viel nachgeblieben, hätten die Belagerer gewonnen und zu plündern begonnen.

Quelle & © [Hans Friedrich Blunck, Nordseesagen, Loewes Verlag, Bayreuth 1982]