Friesische

Mythen

Der gläserne Sarg

Manche Friesen waren durch ihren Reichtum so verwöhnt, dass sie den irdischen Leib für das Höchste ansahen. In Dornum wohnten einst ein Häuptling und sein Weib, die hatten nur ein Kind, ein Mädchen. Es war so schön, dass die beiden meinten, ihm dürfe niemals ein Leid geschehen, auch der Tod werde ihm nichts antun. Schließlich trieben sie eine rechte Abgötterei mit der Kleinen. Da wurde der Herr zornig über sie und ließ das Mädchen sterben. Aber der Tod veränderte sein Antlitz nicht.

Als das Kind nun beigesetzt wurde, richteten dıe Eltern ihm einen gläsernen Sarg, damit sie immer das Gesicht schauen konnten, und hielten es für eine Gnade Gottes, dass der Leichnam blieb, wie er war. Es war aber nur eine Versuchung, und der Herr schickte die Wasser über die Eitelkeit der Menschen und strafte sie.

Quelle & © [Hans Friedrich Blunck, Nordseesagen, Loewes Verlag, Bayreuth 1982]