Friesische

Mythen

Vom Riesen Rapel

Am Vareler Siel wohnte einst ein Riese namens Rapel, der war mit Eisen nicht zu verletzen, konnte sich unsichtbar machen und erbeutete alle Schiffe, die zur Stadt hinauffahren wollten. Er hatte eine Leine über das Wasser gespannt und einen weiten Faden gelegt, so dass eine Glocke läutete, wenn jemand nahte. Den Menschen, die er fing, nahm er nicht nur ihr Gut, er fraß sie auf.

Eines Tages hatte der Unhold auch ein schönes junges Mädchen aus Varel gefangen, das ließ er leben und behielt es in seiner Höhle. Er bekam von ihr mehrere Kinder, die fraß der Riese, wenn er Hunger hatte. Nach einigen Jahren bat die Arme, er möge sie zu den Menschen heimkehren lassen. Rapel duldete es, nachdem sie ihm geschworen hatte, keinem Lebenden zu verraten, wo er hauste.

Das Mädchen hielt sein Wort. Es ging daheim zur Kirche, und die Leute freuten sich, dass es wiedergekommen war. Als sie die Entschwundene fragten, wo sıe die ganze Zeit gewesen sei, schüttelte sie den Kopf.

Vor der Kirchentür begegnete der Pastor ihr; er merkte wohl, dass sie ein Versprechen halten musste, und drängte nicht. Aber von den Umstehenden taten sich viele Männer zusammen und rüsteten ein Schiff aus, Die Frauen müssten Brei kochen und sie begleiten. Dann fuhren alle auf Rapels Höhle zu. Dabei berührten sie das Läutewerk; der Unhold schob den Stein vorsichtig von der Tür und wollte schon sein Pferd nach draußen führen. Da fielen die Menschen, bevor er sich unsichtbar hatte machen können, mit dem heißen Brei über ihn her, blendeten und erschlugen ihn.

Der Hügel, in dem er seine Höhle hatte, heißt seitdem Rapelsberg. Die Kinder ziehen zu Ostern hinüber und suchen Ostereier, die dort von den Tieren, von den Hasen besonders, für sie versteckt werden. Denn auch die frommen Tiere freuten sich über Rapels Tod; der Riese schlug sie alle, wenn just keine Menschen vorüberkamen.

Ähnliches wird übrigens von einem Berg bei Leer in Ostfriesland erzählt, der zum Osterfest voll von bunten Eiern liegt.

Quelle & © [Hans Friedrich Blunck, Nordseesagen, Loewes Verlag, Bayreuth 1982]