Friesische
Mythen
Maria von Jever
Die letzte Erbin von Ostfriesland war Fräulein Maria von Jever. Sie ging meist gepanzert, hatte aber ein lachendes Gesicht und trieb ihre eigenen Scherze.
Als der reiche Bäcker Hillers einmal sein Holz spaltete, kam sie gerade vorüber und gab ihm im Spaß einen tüchtigen Schlag auf die stramme Hose.
„Wat’s dat för’n olle Hoor, de mi dat andeit!“ schimpfte der Mann ärgerlich. („Was ist das für eine Dirne, die mir das antut!“)
Fräulein Marıa aber meinte, er habe wohl gewusst, wer es getan hatte, vergaß ihm das Wort nicht und nahm Hillers mit List seinen weiten grünen Grund vor der Stadt — mit Unrecht, wie es heißt. Das hat zu blutigen Fehden geführt.
Maria von Jevers Seele wurde bei ihrem Ableben in einem gläsernen, mit vier Hähnen bespannten Wagen abgeholt und gleich zu einem der unterirdischen Gänge gefahren, die vom Schloß zur Stadt Jever oder auch in Himmel oder Hölle führten. Sie hatte im Sterben befohlen, jeden Abend die Glocke zu läuten, bis sie wiederkäme. Als man es unterließ, hat die Tote selbst für das Läuten gesorgt. Man konnte sich jedenfalls nicht anders erklären, aus welch gewaltiger, unsichtbarer Kraft die Stricke geschwungen wurden.
Quelle & © [Hans Friedrich Blunck, Nordseesagen, Loewes Verlag, Bayreuth 1982]